Wie diskutiere ich am besten gegenteilige Meinungen, die so absurd erscheinen, dass sie sprachlos machen? Ein paar Tipps, um nicht wahnsinnig zu werden.
Wir kennen sie bestimmt alle, die Situationen in denen man mit einer gegensätzlichen Meinung konfrontiert wird und so erschüttert, halb fasziniert ist von ihrer Absurdität, dass man sprachlos ist obwohl man doch eigentlich sämtliche Fakten im Kopf hat. Wie geht man am besten an solche Situationen heran, wie argumentiert man am besten ohne belehrend zu wirken? Denn wir wissen alle aus eigener Erfahrung: Belehrungen und an den Kopf geworfene Fakten, damit lassen sich nur die Wenigsten überzeugen. Anlass für diesen Blogartikel war eine Diskussion in unserer Sneep (=Studentisches Netzwerk für mehr Ethik in der Ökonomie und Praxis) Oldenburg Gruppe, wie man am besten mit solchen Situationen umgehen kann. Die Ergebnisse unseres Brainstormings, einer Befragung auf Instagram und einer kleinen Recherche habe ich mal in ein paar Punkten zusammengetragen.
Unsere wichtigste Erkenntnis in aller Kürze:
Fragen stellen statt Infos raushauen! Und damit beim Gegenüber so lange nachbohren, bis es selber merkt, dass die Argumente nicht standhaft sind, statt krampfhaft zu versuchen Menschen von unserer Sichtweise zu überzeugen und dabei wahnsinnig zu werden.
Gute Tipps habe ich zum Beispiel im Fluter Magazin in einem Artikel mit Tipps zur Argumentation gegen Stammtischparolen gefunden, sowie in der kurzen Broschüre von Demokratie leben zum gleichen Thema. Zu empfehlen ist auch die App ‘KonterBUNT’, mit der die Reaktion auf Stammtischparolen geübt werden kann.
Eins noch vorne weg: Wir leben in einer Demokratie, weshalb wir Meinungen aushalten müssen, auch wenn sie nicht der eigenen entsprechen. In Argumentationen und Diskussionen wollen wir in der Regel die andere Person von unserer Meinung überzeugen, sie zu einer Einsicht bewegen. Das wiederum impliziert, dass die eigene Meinung, von der das Gegenüber überzeugt werden soll, die richtige ist. Das sollte man sich natürlich nicht anmaßen. Und tut es irgendwo trotzdem. Mit diesem Artikel möchte ich einfach die Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit angehen, die sich bei bestimmten Themen einstellt. Vielleicht helfen die Tipps und können uns zu besseren Diskussionen verhelfen – bei denen am Ende vielleicht zwei Sichtweisen und zwei Menschen gleichwertig und respektvoll einander gegenüber stehen. Eine Ausnahme sind Stammtischparolen.
“Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ und das gilt auch für alle anderen menschenverachtenden Äußerungen.
Deshalb ist es hier besonders wichtig Stellung zu beziehen und deutlich zu machen „das ist nicht okay“.
10 Tipps zur erfolgreichen Diskussion gegenteiliger Meinungen und gegen Stammtischparolen
- Zuhören, aufeinander eingehen, sich gegenseitig mit Respekt begegnen
- Vermeiden die Aussagen des Gegenübers sofort infrage zu stellen, sondern die andere Meinung anerkennen sowie Verständnis und Mitgefühl für bestehende Ängste oder die andere Meinung zeigen. Denn, Funfact: Kritik spricht dasselbe Gehirnareal an wie Schmerz. Ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb derartige Diskussionen oft extrem emotional geführt werden. Bringt man hier Verständnis und Mitgefühl für das Gegenüber auf, fühlt es sich nicht so stark bedrängt, kritisiert und geht entsprechend weniger verletzt und damit offener in die folgende Diskussion hinein.
- Nicht auf die Person fokussieren („du bist schlecht“), sondern auf die Fakten oder die Meinung, die die Person vorbringt.
- Fakten sind hilfreich, aber nicht unbedingt förderlich (hier kommt es auch stark auf den Persönlichkeitstyp des Gegenübers an: Faktenbasiert vs. Emotional). Fakten können darüber hinaus in der Regel auch nur erfolgreich in das Gespräch eingebracht werden, wenn das Gegenüber offen für entsprechenden Input ist. Daher:
- Nicht mit Fakten um sich werfen, sondern es eher persönlich halten und Ich-Botschaften senden, Empathie und Vorstellungskraft ansprechen, Lösungen visualisieren z.B. durch die eigene Erfahrung und das eigene Vorleben: „Also bei mir funktioniert es super, wenn ich es so mache“. Neugierig machen und durch Geschichten aus dem wahren Leben zum Nachdenken, Umdenken und Ausprobieren anregen. So kann leichter die Brücke zwischen Bewusstsein und Handeln überwunden werden, die ja häufig sehr sehr schwierig zu passieren ist.
- Nicht belehren, sondern das Gegenüber selber die Lösung entwickeln lassen.
- Lieber konsequent nachfragen, statt mit Fakten bombardieren. Besonders bei typischen Stammtischparolen, um die Allgemeingültigkeit, die diese Aussagen vorgaukeln, aufzulösen. Dazu kann man Fragen stellen, das Gedankenmodell des Gegenüber weiterspinnen und immer konkreter Nachbohren, sodass das Gegenüber ins Straucheln gerät. Bis es bestenfalls vielleicht selber merkt, dass es Unsinn redet oder die Argumente nicht zusammenpassen. Gerade bei Stammtischparolen können so Widersprüche aufgedeckt und konkretisiert werden. Das bewahrt auch davor im Gespräch selber ins Schwimmen zu kommen und so die Glaubhaftigkeit des eigenen Standpunktes zu gefährden, wenn einem z.B. nicht mehr alle Fakten einfallen, die in dem Moment überzeugen könnten. Praktisch ist es auch sich dabei dumm zu stellen und ganz naiv zu fragen: „Sowas habe ich noch nicht erlebt, erzähl mal, woher weißt du das?“ Das führt direkt zum nächsten Punkt:
- Authentisch und respektvoll auftreten, standhaft nachfragen. Einen schönen Tipp gibt Klaus-Peter Hufer von der Uni Duisburg-Essen im Fluter Magazin: „’Belehrung kommt gegen Erfahrung nicht an.‘ Und die Erfahrung zu machen, dass jemand, der sich mit meiner ‘Feindgruppe’ solidarisiert, trotzdem sympathisch und souverän auftritt, das schafft Irritation. Damit kann man schon einiges erreichen.“
- Nicht nur schwarz und weiß denken, sondern sich entgegenkommen und in der Mitte treffen. Das trifft vielleicht nicht für alle Diskussionsthemen zu, aber gerade im Bereich Nachhaltigkeit wissen wir ja, wie komplex es ist und dass es eben auch viele Lösungen und Ansatzmöglichkeiten gibt.
- Nicht enttäuscht sein, wenn das Gespräch selber scheint, als würde es zu nichts führen. Solche Gespräche sind wichtig, auch wenn sie nur zu dem allerkleinsten Riss in den Gedankenmustern führen. Viele kleine Risse und irgendwann bricht es auseinander. Und, solche Gespräche wirken nach und das Nachdenken ist ja mit dem Ende des Gesprächs nicht zu Ende. Kennt man ja selber vielleicht auch: Manchmal ist man einfach zu stolz zuzugeben, das die andere Person recht hat oder man erinnert sich zu einem ganz anderen Zeitpunkt zurück an das Gespräch und auf einmal stellt sich die Erkenntnis ein. Die Prozesse im Menschen sich selbst zu reflektieren sind super vielseitig und bis die entsprechende Erkenntnis eintritt und auch zu Konsequenzen im Handeln führt, dauert es oft ziemlich lange.
Und noch ein paar Tipps für die Ökodebatte:
- Verhalten nicht als „grün“ oder „nachhaltig“, sondern als „normal“ promoten, denn Menschen wollen normal sein. Und das auch auf die Sprache anwenden.
- Erinnern, erinnern, erinnern (durch Vorleben). Oft erübrigen sich dadurch Diskussionen oder Hinweise, wenn man einfach vormacht, wie es anders geht. Zum Beispiel zum gemeinsamen Einkauf immer den Brotbeutel mitnehmen o.ä.
- Kompatible Lösungen anbieten, die zum jeweiligen Lebensstil passen, also in der Diskussion konkret Tipps geben, von denen man weiß, dass sie zu den Lebensumständen des Gegenüber passen.
Falls es doch noch an Fakten oder Argumenten mangelt:
Eine Liste mit Argumenten zur Entkräftung der häufigsten Einwände von Klimagegner*innen oder -leugner*innen gibt’s auf weltverbesserer.de.